Außer im Privaten, bei Familienfesten und in geschlossener Gesellschaft scheint die Gelegenheitsdichtung als Gattung heutzutage ausgestorben zu sein. In der Antike existierte sie in Form von Herrscherlob und Ruhmesliedern, im Barock als kommerzielles Beiwerk zu Anlässen wie Trauungen, Taufen und höfischen Gelagen. Das war einmal. Wozu dann noch die tote Gattung! Erstens, weil Dichtung zum Menschsein gehört. Zweitens, weil sich für Gedichte genügend Gelegenheiten bieten. Und zu guter Letzt, weil Reime verspielt sind und ihr Reiz niemals verblasst.
Das geeignete Gedicht für die günstige Situation schätzte schon Goethe: „Von Gedichten aus der Luft gegriffen halte ich nichts.“ Aus Sicht der textlagune stellen Gelegenheitsgedichte nicht nur einen lebensweltlichen, zeitlichen Luxus dar, sondern gewissermaßen auch etwas Nettes, Überflüssiges. Aber machen wir uns nichts vor: Zum Leben und Feiern braucht man auch das Sektglas nicht, und doch trinkt man aus ihm viel lieber als aus einem Plastikbecher.
Sollten auch Sie aus unerklärlichen Gründen ein Gedicht beauftragen wollen, um dem besonderen Anlass eine getragen-feierliche Note zu verleihen – der Geburt Ihres Neffen etwa oder der Abschiedsehrung eines langjährigen Mitstreiters aus dem oberen Management –, werden wir es nach allen Regeln der Kunst für Sie verfassen. Gönnen Sie sich diese süße Décadence!